Steine in der Dreieich
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Steine an der Oberräder Landwehr

   März 2020

gpx DateiBei einem Spaziergang um den Goetheturm, bzw. um den Platz, an dem der Goetheturm stand, entdeckten wir am Parkplatz des Spielparks Scheerwald einen relativ großen, ehemals weiß gestrichenen Stein, leicht nach Osten hängend, mit der Karte ScheerwaldInschrift "FA"auf der Südseite. Das erweckte die Neugierde. In der Tat konnten entlang der asphaltierten Straße "An der Goetheruh" dicht hinter der Leitplanke zunächst insgesamt 11 dieser Steine identifiziert werden. Bei der Straße handelt es sich um den nördlichen Begleitweg der Oberräder Landwehr. Ich nahm zunächst an, dass es sich um mittelalterliche Begleitsteine der Landwehr handelt. Bei einem letzten Kontrollgang fand ich jedoch in einem zwischenzeitlich vom Forst freigeschnittenen Platz einen weiteren Stein (unten mit Stein 7 bezeichnet), der diese These widerlegte. Auch ein später gefundener Stein am Waldfriedhof sprach gegen den mittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Ursprung. Hier kann man die GPX-Datei herunterladen.

Bevor wir hier ins Detail gehen, beginnen wir unseren Spaziergang am südlichen Ende der Buchrainstraße in Oberrad und biegen dann halbrechts in die Straße "An der Goetheruhe" ein.  Nach ca. 40 m stoßen wir auf den ersten Stein 5 (27x27x50). Wie die folgenden Steine auch besteht er aus Basalt und war einmal weiß gestrichen, wobei die Farbe jetzt abblättert. Der Stein ist irgendwann neu gesetzt worden, er steht um 90 Grad gedreht. Auf der Westseite ist eine metallener Bolzen (Höhenmarke ?) angebracht. Am Kopf erkennt man ein Kreuz als Weisung. Auf der Ostseite ist mit Mühe ein "FA" zu sehen. Es ist unklar, was dies bedeuten soll: Forstamt?  Forstabteilung? Bei allen anderen Steinen dieser Grenzlinie weist die Beschriftung nach Süden, also Richtung Stadtwald. Dieser und fast alle folgenden Steine stehen auf Grenzpunkten, wie eine Überprüfung in ALKIS ergab. Dies wiederum bedeutet, dass früher erheblich mehr Steine an der Grenzlinie gestanden haben müssen. Die Benennung der Steine in diesem Bericht ist konsekutiv, stimmt aber nicht mit der Reihenfolge der Grenzpunkte überein.  
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Wenn man nun weiter nach Westen geht, erkennt man im Asphalt der Straße einen Messpunkt, der den Ort des nächsten Grenzpunktes (Nr. 6) markiert. Wir kommen nun an den Parkplatz des Spielplatzes Scheerwald. Hier begegnen wir auf der Südseite dem Stein 7, der wohl am besten erhaltene Stein dieser Serie. Seine Grundfläche beträgt 25x25 cm, seine Höhe 50 cm. Die Nordseite ist unbeschriftet, auf der Südseite erkennt man "FA" / 1836". Nix Mittelalter. Auf dem rundgewölbten Kopf ist ein Kreuz zu erkennen. Keine Farbreste. Es ist anzunehmen, dass alle anderen Steine der Grenzlinie so ausgesehen haben, von der Jahreszahl einmal abgesehen. Die Köpfe der meisten anderen Steine sind beschädigt, so dass keine Weisung mehr erkennbar ist. Der Querstrich beim A ist wie bei den meisten Steinen nur schwach eingehauen, wobei es zwei Ausnahmen gibt, bei denen der Mittelstrich als Winkel ausgebildet ist (s. unten).
Der Stein 8(27x24x32, keine Weisung) steht nur 15 m weiter westlich an der Ecke der Einfahrt zum Scheerwald. Er ist recht lädiert und hängt nach Osten. Ein gut sichtbares FA ist auf der Südseite eingehauen. Auch hier ist eine Höhenmarke (?) zu erkennen. Nach meiner Ansicht steht er nicht auf einem Grenzpunkt, zumal die Entfernung zum nächsten Stein ungewöhnlich gering ist. Die These sei gewagt, dass er auf dem Grenzpunkt Nr. 6 stand und im Zuge der Verbreiterung der Straße an diese Stelle (Einfahrt zum Spielplatz Scheerwald) verbracht wurde, was ihm offensichtlich nicht gut bekommen ist. Die Straßenverbreiterung könnte auch Ursache dafür sein, dass nach einer temporären Entfernung der Stein 5 falsch herun wieder eingesetzt wurde.
Nach Stein 8 beginnt die Wegstrecke, die auf der Südseite mit einer Leitplanke versehen ist. Das ist recht ambivalent, einerseits werden die Sten durch die stählerne Planke geschützt, andererseits sind sie nur bedingt sichtbar und haben ihren spezifischen Charakter als Kulturdenkmal verloren. Der Stein 9 (28x26x45, keine Weisung) steht direkt hinter der Leitplanke und hängt leicht nach Südost. Der Kopf des "F" ist beschädigt. Das gleiche ist für den nächsten Stein 10 (27x25x47, keine Weisung) zu sagen.
Wir kommen jetzt an die Brücke der an dieser Stelle vom Regionalpark rekonstruierten Landwehr. Auf der Infostele wird von der Sachsenhäuser Landwehr geschrieben, was nätürlich Oberräder Landwehr heißen müsste. Der Stein 11 schaut nur wenig hinter einem Granitpfosten aus dem Boden. Der Kopf ist beschädigt. Der nächste Stein 12 (29x25x45, keine Weisung) hängt leicht nach Süden. Die Beschriftung ist gut zu erkennen. Stein 13 (28x28x54, keine Weisung) hängt sehr stark nach Osten. Eine Beschriftung ist nicht zu erkennen. Stein 14 (25x25x20, keine Weisung) steht recht unscheinbar an der Leitplanke. Leider hat dort jemand Schutt abgeladen. Stein 15 (28x25x15, Zentrierpunkt?) schaut wiederum nur wenig aus dem Boden und steht direkt hinter der Leitplanke. Eine Inschrift ist nicht zu erkennen.  Stein 16 (28x26x30, Kreuz) hängt leicht nach Nordwest.
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OLW20OLW20 KopfOLW20Von hier aus gehen wir 500 Meter die Straße entlang, ohne auf weitere Stein zu stoßen. Der letzte noch existierende Stein dieser Grenzlinie ist Stein 20, der 50 m vor dem Wendelsweg am Fuß eines Telefonmastes hinter der Leitplanke zu finden ist. Sehr schön kann man den gewinkelten Mittelstrich des A in "FA" erkennen. Auf seinem Kopf ist ein Dreieck mit einem mittigen Punkt eingemeißelt. Dieser Stein ist der einzige der Serie, der nicht an der Grenze Stadtwald-Oberrad, sondern an der Grenze Stadtwald-Sachsenhausen steht.
Die Oberräder Landwehr endet am Wendelsweg. Die Fortsetzung Richtung Sachsenhäuser Warte bildet von dort ab die Sachsenhäuser Landwehr

Aus der Tatsache, dass die Steine offensichtlich 1836 gesetzt worden sind, kann geschlossen werden, dass es sich nicht um Landwehr-spezifische Grenzsteine handelt, sondern um Steine, die den Stadtwald von der Oberräder bzw. Sachsenhäuser Gemarkung trennen. Wie schaut es nun östlich der Oberräder Landwehr aus?
Ausschnitt Pellisier







OLW20OLW20Auf der Karte erkennt man links die die Oberräder Buchwaldstraße und die Abbiegung in die Straße "An der Goetheruh", den früheren Verlauf der Oberräder Landwehr. Wenn man von der Buchrainstraße  nach Osten in den Burgenlandweg abbiegt und Richtung Waldfriedhof fährt, dann bewegt man sich entlang der Stadtwaldgrenze. Bis zum Haupteingang des Friedhofs konnten keine Grenzsteine gefunden werden. 100 Meter östlich des Haupttors entdeckte ich einen historischer Grenzstein (24x20x19) in der Hecke am Friedhofszaun (roter Punkt in Karte). Er besteht aus Basalt, ist rundgewölbt und ohne sichtbare Weisung. Auf der Rückseite Richtung Süden ist ein "FA" eingemeißelt, wobei der Mittelstrich des A wieder gewinkelt ist. Dies ist der einzige Stein der Serie, der nicht an der Landwehr steht, ein weiterer Hinweis, dass es sich nicht um Landwehr-spezifische Steine handelt.
Der Karte oben ist zu entnehmen, dass die Waldgrenze die Tellersiedlung umläuft. Sie ist ein von Ernst Mai geplantes Projekt im Rahmen des Frankfurter Siedlungsbaus (1927). Auf einem Ausschnitt der Vogel-Karte aus 1781 ist zu erkennen, dass dieses Gebiet schon damals nicht mehr zum Stadtwald gehörte. Ich konnte auf dem Grenzabschnitt um die Siedlung keine weiteren Grenzsteine finden. Die Grenze stößt dann auf die Autobahn A 661, der sie dann nach Norden folgt und wo keine historischen Grenzsteine zu erwarten sind.

Im Westen, am Wendelsweg/Goetheturm macht die Waldgrenze einen Knick nach Süden, um dann über den Weg "Zum Goethetutm" an den Gärten der Häuser am Bernhard-Mannfeld-Weg und Scholderweg vorbei zur Buswendeschleife an der Babenhäuser Landstraße zu führen. Hier konnten einige Gütersteine gefunden werden, die allerdings keinen historischen Charakter besitzen. Auf dem Bischofsweg zwischen der Buswendeschleife und der Darmstädter Landstraße war kein Grenzstein zu entdecken. Das gleiche gilt für die Stadtwaldgrenze westlich der Darmstädter Landstraße entlang des Bischofswegs und des Lerchesbergwegs. Die ursprüngliche Stadtwaldgrenze, die übrigens auch die ehemalige Galopprennbahn umschloss, ist wegen der vielen Bautätigkeiten in den letzten hundert Jahren kaum noch nachvollziehbar.

Ich habe natürlich versucht, Informationen über diese Steine zu erhalten: im Institut für Stadtgeschichte, beim Heimat- und Geschichtsverein Oberrad, in den diversen Büchern über den Stadtwald, dem Frankfurter Denkmalamt. Alles Fehlanzeige. In diesem Zusammenhang beschäftigte ich mich mit den Frankfurter Landwehren. Sie waren Teil des Verteidigungssystems der Freien Reichsstadt und schützte durch Gräben und Wälle das Umfeld der Stadt. An den Hauptdurchgängen wurden spezielle Verteidigungsanlagen mit Türmen, wie z.B. die Sachsenhäuser Warte, errichtet. Mit dem Bau wurde Ende des 14. Jh. begonnen. Der Süden Frankfurts war durch die Sachsenhäuser Landwehr geschützt, die 1426/28 fertiggestellt wurde. 1425 gelangte das Dorf Oberrad  an Frankfurt - unter heftigen Auseinandersetzungen mit Hanau. Daraufhin wurde die Frankfurter Landwehr durch die Oberräder Landwehr erweitert, die 1441 erbaut wurde. Der Karte Pellisieröstliche Teil der Sachsenhäuser Landwehr wurde daraufhin aufgegeben. Eduard Pellisier hat 1905 ein extrem kenntnisreiches Buch über die Landwehren der Reichstadt Frankfurt verfasst. Dem Buch ist eine interessante Karte beigefügt, der den Verlauf der Landwehren sehr schön aufzeigt. Ab S. 181 beschreibt er ausführlich die Oberräder Landwehr. Er erwähnte die hier beschriebenen Steine nicht, da sie - wie gezeigt - nichts mit der Landwehr im eigentlichen Sinn zu schaffen haben.


Fundsachen

m Oberräder Heimatmuseum wird ein sehr schöner Gemarkungsstein der Grenze Oberrad und Frankfurt ausgestellt. Er ist mit "F", "O" und "1737" markiert.

Landwehr-SteinPellissier beschreibt im o.g.Buch auf S. 164 bei der Sachsenhäuser Landwehr, dass die entlangführende Grenze besteint war, sofern sie nicht durch einen Weg gebildet wurde. 1899 waren ihm noch 4 Steine der Sachsenhäuser Landwehr bekannt. Zwei lagen heraus, einer stand in situ östlich des Hauses Landwehrweg 246, ein anderer in situ gegenüber dem Haus Landwehrweg 373. In Lit. Bingemer ist innerhalb eines Artikels von Pellissier eine Skizze eines solchen Steines zu finden: Unbeschriftet, auf der Südseite ein Kreuz. Im Garten des Hauses Landwehrweg 246 hatte ich einen Stein mit einem Kreuz entdeckt. Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass es ein von Kinderhand bearbeiteter Gasbetonstein war. Und: gegenüber dem Haus Landwehrweg 373 steht ein großer Stein. Er ist aber offensichtlich ein aufrecht gestellter Bordsteinkantenstein, der keine Ähnlichkeit mit dem von Pellisier beschriebenen Stein hatte. Schade.

Garten WartegässchenStein LandwehrwegAn der Ecke Sachsenhäuser Landwehrweg - Letzter Hasenpfad fand ich jedoch ein Grenzstein mit einem "W" auf der Nordseite. Er wäre nicht erwähnenswert, wenn mich Ferdinand Stegbauer nicht auf einen Grenzstein in einem Garten am ersten Wartegässchen aufmerksam gemacht hätte. Dieser Stein trägt enfalls ein "W" auf der einen und "1788" auf der anderen Seite. Die "17" ist kaum zu erkennen. Eine Interpretation ist mir nicht möglich.



Kartendaten (C) OpenStreetMap - Mitwirkende, SRTM I Kartendarstellung: (C) OpenTopoMap (CC-BY-SA)

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