Portrait

Henri Vieuxtemps in Dreieichenhain

Dieses virtuelle Erzähl-Konzert ist ein Projekt der "Freunde Dreieichs", einer Arbeitsgruppe der Dreieicher Geschichtsvereine und Heimatkundigen. Es war als reales Geburtstagskonzert zum 200. Geburtstag von Henri Vieuxtems im April 2020 in der Burgkirche zu Dreieichenhain geplant. Wegen der Corona-Pandemie musste das Konzert abgesagt werden. Eine Neuauflage des Konzertes erwies sich aus verschiedenen Gründen nicht als gangbar. Als Ersatz werden die vorgesehenen Musikstücke aus dem breit gefächerten YouTube-Angebot dargebracht. Auch auf diese Weise erhält man einen Eindruck über die Virtuosität dieses Ausnahmekünstlers.

Henri Vieuxtemps über Dreieichenhain

Wir haben vorhin erfahren, dass Vieuxtemps unermüdlich und ruhelos in vielen Städten Europas und Amerikas unterwegs war. Eine Heimat im engeren Sinne besaß er nicht.

1848 war Vieuxtemps  das unstete Leben eines reisenden Virtuosen überdrüssig geworden und nahm eine Stelle als Kammervirtuose bei Zar Nikolaus und erster Violinlehrer in St. Petersburg an. Die materiellen Bedingungen waren ausgezeichnet, und das Publikum schätzte ihn sehr. Trotzdem entschloss er sich 1852, Russland zu verlassen, um -wie er sich ausdrückte- „zu den Brennpunkten des musikalischen Treibens“ zurückzukehren.

 In der Deutsche Musiker-Zeitung von 1878 wird er wie folgt zitiert:

Mit einer Anzahl neuer Kompositionen versehen präsentierte ich mich wiederum den Musikfreunden von West-Europa und fand zu meiner Freude, dass man mich überall, in Deutschland, Frankreich, Belgien und England, in gutem Andenken behalten hatte. Auch jetzt freilich sollte es nicht lange dauern, bis das Bedürfnis nach einem festen Wohnsitz, sich bei mir aufs Neue, und noch ungleich stärker als zehn Jahre zuvor, geltend machte. Diesmal aber hatte ich das Glück, in Deutschland ein Asyl zu finden. Ende 1855 erwarb ich ein ländliches Besitztum, Dreieichenhain, unweit Frankfurt am Main, im Großherzogtum Hessen, welches von da an eine Reihe von Jahren hindurch mir und meiner Familie zum ständigen Aufenthalt diente. Die hier verlebte Zeit nenne ich ohne Bedenken die schönste meines Lebens. Die idyllische Ruhe der uns umgebenden Natur, die Reinheit der Luft, der ununterbrochene Genuss der von meinem Fenster aus zu überblickenden, mit der Kette des Taunusgebirges abschließenden Landschaft, alles dies vereinigte sich, Geist und Körper in wunderbarer weise zu verjüngen, und ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich behaupte, dass meine in Dreieichenhain entstandenen Kompositionen dem Einfluss jener Faktoren die Frische und Natürlichkeit zu danken haben, welche die Kritik an ihnen gerühmt hat. Ein nicht zu unterschätzender Vorzug meines Aufenthaltes war seine Lage, beinahe mitten derjenigen Städte, welche während der Wintersaison meine Mitwirkung in Konzerten vorwiegend in Anspruch nahmen, denn selbstverständlich wurde meine künstlerische Wirksamkeit nach außen durch die Reize einer idealen Häuslichkeit nicht beeinträchtigt.

Er berichtet dann von seinen Reisen und Konzerten z.B. in Stockholm, seinen neuen Kompositionen und fährt anschließend fort:

So verlebte ich Jahre des reinsten, durch Natur, Kunst und Familienfreuden verschönten Lebensgenusses, ohne zu ahnen, dass Schicksalsschläge schwerster Art meiner in nächster Nähe warteten. Der Bruderkrieg des Jahres 1866 verleidete mir den Aufenthalt in Deutschland: ich sagte meinem traulichen Dreieichenhain auf Nimmerwiedersehen Lebewohl, um gänzlich nach Paris überzusiedeln.