Die Haaner und ihr Hennebernsche
von Wolfgang Pfannemüller In Dreieichenhain wird die Geschichte erzählt, dass die kleinen Kinder aus dem Hennebernsche stammen. Als echte Haaner gelten die, die in Dreieichenhain geboren sind, so wie auch ihr Vater und ihre Mutter. Abstufungen gibt es wenn ein Elternteil nicht aus Dreieichenhain stammt. Verliebte Paare die sich ein Kind wünschen machen haufig einen Spaziergang zum Hennebernsche und trinken aus der Quelle. Das soll die gewünschte Schwangerschaft fördern. Ist
der Tag der Geburt gekommen legt der angehende Vater
frühmorgens ein Stück Würfelzucker auf die
Fensterbank des Schlafzimmers und
öffnet das Fenster ein Stück weit. Das ist das Signal
für den Klapperstorch,
dass er sich auf den Weg machen muss um das Baby aus dem Hennebernsche
zu
holen. Der Storch fliegt also zum Hennebernsche, fischt das Baby aus
dem
Brunnen, legt es in eine Windel und fliegt mit diesem Paket zum
Geburtshaus.
Der Würfelzucker auf der Fensterbank zeigt wo er das Baby
ablegen soll. Wenn er
das Haus gefunden hat fliegt er durch das geöffnete Fenster
und legt das Baby
vorsichtig auf den Bauch der Mutter. Mit seinem langen Schnabel beisst
er der
Mutter dann ins Bein und die dadurch verursachten Schmerzen
ließen die laut
aufschreien. Danach verschwindet der Storch wieder und
verkündet mit seinem
Geklapper, dass wieder ein echter Haaner oder eine echte Haanerin
geboren
wurde. Einige
Wochen nach der Geburt wird das Kind getauft. Der
Vater geht frühmorgens mit einem Milchkännchen zum
Hennebernsche und holt
Wasser, das als Taufwasser verwendet werden soll. Er bringt das
Brunnenwasser
zum Pfarrer, der es segnet und damit später das Kind tauft.
Ein anderer Teil
des Wassers wird für den Kuchen gebraucht, der in der
anschließenden
Familienfeier verzehrt wurde. Manchmal
sieht man auch Eltern oder Großeltern, die ihr Kind
oder Enkelkind heimlich direkt am Hennebernsche taufen. Das ist dann
der Fall,
wenn keine kirchliche Taufe möglich ist oder auswärts
wohnende Kinder noch mit
der Heimat der Eltern verbunden werden sollen. Ich selbst wurde im Januar als echter Haaner geboren und ich habe mich lange Zeit gefragt wie das alles möglich sein konnte. Denn in der Schule haben wir gelernt, dass die Störche in den Wintermonaten in Afrika leben und erst im Frühjahr wieder nach Deutschland kommen. Auch habe ich selten einen Storch in der Dreieichenhainer Gemarkung entdeckt. Bei
Nachforschungen habe ist festgestellt, dass es eine
Abhängigkeit mit der Wassermenge im Hennebernsche und der
Geburtenzahl gab. In
den 1960er Jahren ist die Zahl der Hausgeburten in Dreieichenhain stark
zurückgegangen bzw. es gab überhaupt keine
Hausgeburten mehr. In dieser Zeit
kam auch das Hennebernsche zum erliegen. Wasser floss nur noch
spärlich oder
der Brunnen war zeitweise ausgetrocknet. Es musste also etwas Wahres an
der
Geschichte geben. Hintergrund
war aber, dass in dieser Zeit das neue
Dreieich-Krankenhaus als moderne Hessenklinik in Langen
eröffnet wurde. Die
damalige Dreieichenhainer Hebamme Käthe Müller
wechselte ins Dreieich
Krankenhaus. Viele Frauen bevorzugten dann auch eine Geburt im
Krankenhaus
statt einer traditionellen Hausgeburt. Und was die Wassermengen im
Hennebernsche betrifft so scheinen die Erdarbeiten für die
neue Autobahn A661
eine Ursache zu sein. Offensichtlich wurden dadurch Wasseradern oder
zerstört
oder umgeleitet. Als Hausgeburten später wieder
populär wurden war auch wieder
genügend Wasser im Hennebernsche. Das
Hennebernsche war in früherer Zeit ein beliebter
Treffpunkt bei Sonntagsspaziergängen und für
Vereinsfeste. Aus dem
Hennebernsche hat man sich auch frisches Wasser geholt, wenn auf dem
benachbarten Ackergelände „Auf der
Säuruh“ gearbeitet wurde. Davon hat meine
Großmutter berichtet. Eine
Belebung des Geländes am Hennebernsche wäre
wünschenswert. Es bietet nicht nur schattige Plätze
zum Ausruhen sondern auch
eine interessante Umgebung für abenteuerliche Kinderspiele.
Vielleicht könnte
auch die Kirche dort wieder Taufen durchführen. Interessant
ist die unterschiedliche Namensgebung dieses
idyllischen Ortes. Neben Hennebernsche gibt es auch den Namen
Hunnenbrunnen
oder Hinnerbörnsche und man könnte allerlei
Geschichten zu diesen diese Namen
erfinden. Interessant ist aber der geografische Ort, denn das Hennebernsche liegt auf dem 50. Breitengrad nördlicher Breite nach dem Potsdam Datum. Es ist in Luftlinie gleichweit entfernt (ca. 1600 m) von der Burg Hayn, der Altstadt in Sprendlingen und der Altstadt in Langen. War es vielleicht doch ein mystischer Ort in unserer Heimat? Wo
befindet sich das Hennebernsche im Hainer Wald? Zwischen
der Straße An der Trift am Wohngebiet an der Säuruh
/ Stafford Straße und der
Brunnenschneise. Im Wald zwischen Brunnenschneise in Richtung Autobahn
bzw.
neben dem Spiel- und Bolzplatz. Wolfgang Pfannemüller |